Das Ende
Das Ende zusammengefasst: Kurz vor der Konfrontration mit Sauron wird beiden Charakteren klar, dass ihre Ziele enorm unterschiedlich sind. Während Talion Sauron töten möchte, plant Celebrimbor den dunklen Lord letztlich zu unterwerfen. Talion will Mordor befreien und Celebrimbor will es beherrschen. Entsprechend gibt es eine Auseinandersetzung zwischen den beiden. Celebrimbor, der dies schon hat kommen sehen, verrät Talion und lässt ihn sterbend zurück um Sauron mit einer neuen Verbündeten gegenüber zutreten.
Im Sterben liegend hat Talion eine „Vision“ und sieht am Ende ein, dass Frieden für Mittelerde nur möglich ist, wenn Mordor bleibt wie es ist. Nämlich gefangen in einem ewigen Machtkampf. Also bringt er ein undenkbares Opfer: Er zieht einen der namensgebenden Ringe des Tolkin-Universums an, was im zwar vor dem Tod rettet und ihm sogar Macht über diesen verleiht, ihn aber schlussendlich auch verschlingen und zu einem willenlosen Sklaven machen wird.
Das ist an und für sich ein ziemlich gutes Ende, ein sehr gutes sogar. Die Charaktere geraten in einen unlösbaren Konflikt, ihre Ideale haben echte Konsequenzen, es ist kurz um ein echtes Charakter-Ende. Den Entwickler ist damit sogar der schwierige Schritt gelungen in einem Open-World Spiel sowohl Konsequenz in ihr Ende zu packen, als auch das anschließende Weiterspielen zu rechtfertigen.
Das Problem
Das Problem ist, dass sich diese Art von Ende nach all der Spielzeit nicht verdient anfühlt. Die Beziehung der beiden Charaktere zueinander ist der zentrale Punkt für den Abschluss des Hauptspiels, zudem sind die Überzeugungen der beiden enorm wichtig. Beides geht aber im Laufe des Spiels schlicht unter.
Schatten des Krieges ist inklusive dieser Endsequenz in drei Akte geteilt, wobei der zweite rund 80% des Spiels einnimmt. Im ersten Akt gibt es kleinere Streitigkeiten über das Vorgehen der Charaktere und im zweiten gehen sie quasi vollständig unter. Über Celebrimbor erfahren wir schlicht Nichts und über Talion lediglich, dass er sich keine Situation vorstellen kann, in der er sich dem Hexenkönig unterwerfen wird (worauf das Überstreifen des Rings allerdings letzlich hinauslaufen wird).
Es ist nicht so, dass die Taten der Charaktere am Ende vollkommen unpassend sind. Sie sind nicht unlogisch oder total aus der Luft gegriffen. Sie sind nur so extrem, dass sie der unausweichlische Höhepunkt einer ausführlichen Charaktergeschichte sein müssten. Der narrative Fokus ist für den Großteil des Spiels so heftig verschoben, dass das Ende aus dem Nichts zu kommen scheint.
Schatten des Krieges ist ein bisschen wie ein Sportfilm, dessen Protagonist in den ersten fünf Minuten primär beim Sport seiner Wahl gezeigt wird, ab und an aber auch ein bisschen kocht. Die nächsten 70 Minuten sind Training in besagtem Sport und der Weg durch ein wichtiges Tunier, außerdem macht er sich ab und an ein Butterbrot. Dann, am Ende, kurz vor dem Finale wirft er alles hin und nimmt an einem Kochwettbewerb teil. Wir wissen zwar, dass er gekocht hat und sich gerne mal etwas zu essen macht, aber das es ihm so wichtig war wurde uns einfach nie gezeigt.
Genauso ist das mit den Unterschieden zwischen Celebrimbor und Talion: Wir wissen, dass sie da sind aber das sie so wichtig sind kommt einfach nicht rüber. Im Nachhinein fühlt es sich so an, als wären wir um eine tolle Geschichte betrogen worden. Wir kennen nämlich schon ihren guten Anfang und das gelungene Ende.