Um 0:15 Uhr Moskauerzeit in der Nacht, die Petrow Jahre später berühmt machte, heult plötzlich der Alarm los. Die Satelliten melden den Start einer einzelnen Rakete von einer amerikanischen Militärbasis. Petrow selbst hat an dem Frühwarnsystem mitgearbeitet; er weiß um die etlichen Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit das System anspringt. Die visuelle Beobachtung meldet keine Raketen, allerdings liegt die relevante Basis auf der Tag-Nacht-Schwelle und ist deshalb schwierig zu beobachten. Nach Protokoll, für das er ebenfalls mitverantwortlich war, gibt er Befehle durch und lässt die Meldung prüfen. Ein Computerfehler ist es nicht. Dennoch greift er zum Hörer um Fehlalarm durchzugeben, da vermelden die Satelliten den Start einer zweiten Rakete. Wenig später auch den einer dritten, vierten und fünften. Immernoch nichts von der visuellen Beobachtung. Petrow bleibt bei seinem Bericht: Fehlalarm.
Ein Schlag führt immer zum Gegenschlag – das war mir bewusst. Es gab nur einen einzigen Unterschied: Der, der den Erstschlag führt, lebt 20 Minuten länger.
– Stanislaw Petrow, im Interview mit heise
Neben dem Frühwarnsystem und der visuellen Beobachtung gibt es noch das Radarsystem, dass die Raketen aber erst 10 bis 15 Minuten nach dem Start erfassen würde. Bis dahin herrscht heftige Anspannung, hundertprozentig sicher war sich Petrow seiner Entscheidung nämlich nicht. Die Entscheidung basierte auf seiner Intuition und seiner Ausbildung. Als das Radar 13 Minuten später nichts meldete wusste Petrow, dass er richtig entschieden hatte.
In einer umfassenden Untersuchung stellte sich dann heraus, dass der Alarm wegen Reflexionen der Sonne in der Atmosphäre ausgelöst wurden. Wahrscheinlich einer der gefährlichsten Zufälle der Geschichte, wo doch die nötige Anordnung von Sonne, Erde und Satellit für so eine Reflexion sehr selten ist und dann auch noch genau über einer amerikanischen Militärbasis aufgetreten ist.
Es sollte sich später herausstellen, dass Petrows Intuition zwar richtig war, die Ausbildung allerdings falsch. In der Sowjetunion war man damals der Ansicht ein westlicher Erstschlag würde durch den Abschuss des kompletten atomaren Arsenals erfolgen. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass der NATO-Plan für einen Erstschlag anders ausgesehen hätte. In einer ersten Phasen hätte man zunächst mit wenigen Raketen die Führung in Moskau ausschalten wollen. Erst bei ausbleibender Kapitulation und erfolgendem Gegenschlag hätte man dann in der zweiten Phase zur totalen Vernichtung ausgeholt.
Hätte ich das damals gewusst, ich hätte mich anders entschieden.
-Stanislaw Petrow, im Interview mit heise
Dennoch gebührt Petrow großer Respekt, weil er in einer Zeit enormer Anspannung und bereits einiger überhasteten Entscheidungen einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Er selbst sagt er habe nur seinen Job gemacht, seine Kollegen hätten genauso entschieden, und in der Sowjetunion war man offenbar der gleichen Meinung gewesen. Ihm sei angekreidet worden, dass er kein schriftliches Protokoll während des Vorfalls geführt hatte. Später wurde er allerdings wegen anderer Leistungen in der UdSSR ausgezeichnet und befördert. Im Westen wurden ihm in den letzten Jahren mehrere Auszeichnungen für seinen Einsatz verliehen.
Hauptquelle dieses Artikels ist ein Beitrag auf heise.de, den ich jedem wärmstens ans Herz legen möchte.